Schlau ist sexy
Sapiosexualität: Das bedeutet es, sich zu Intelligenz hingezogen zu fühlen
- Veröffentlicht: 26.09.2023
- 09:00 Uhr
Anziehung durch Intellekt? Wir klären auf: Was es bedeutet, sich von klugen Menschen angezogen zu fühlen, was darauf hinweist, dass du selbst sapiosexuell bist und welche Kritik es an diesem Dating-Trend gibt.
Im Clip: Hier erfährst du, was es mit der Sapiosexualität auf sich hat
Bist du vielleicht Sapiosexuell? Das steckt hinter dieser Neigung
Was bedeutet sapiosexuell?
Verliebst du dich eher in Dunkelhaarige oder in Blonde? Eher in lustige Menschen oder eher in schlaue? Wenn du beim letzten Kriterium für die Partner:innenwahl laut "Hier!" gerufen hast, dann könnte es sein, dass du sapiosexuell bist.
Wer gerade bei Tinder & Co. unterwegs ist, dem dürfte das Wort in letzter Zeit häufiger begegnet sein: Sich als sapiosexuell zu bezeichnen ist Trend - zumindest bei der Partner:innensuche! Auf einigen Dating-Plattformen kann man sogar angeben, dass man sich als sapiosexuell identifiziert.
Sapiosexualität ist eine Wortneuschöpfung, die sich auf das lateinische Wort "sapere" bezieht, das so viel bedeutet wie "wissen" oder "denken". Es entstand in der 1990er Jahren und kann synonym mit "sapiophil" benutzt werden. Sapiosexuell bist du also, wenn der Intellekt deines Gegenübers das wichtigste Attraktivitätsmerkmal ist. Muskeln und eine dicke Karre? 90-60-90 und lange Haare? Völlig egal! Hauptsache er oder sie weiß, wer Marcel Proust war und dass Kiribati keine Eidechsenart ist.
Bin ich sapiosexuell? Diese 5 Merkmale sprechen dafür
Gut möglich, dass du dir jetzt denkst: Wenn ich nicht auf Dummheit stehe, dann bin ich wohl sapiosexuell! Es gehört aber noch ein bisschen mehr dazu, zum Beispiel:
1. Small-Talk? Nein, danke!
Wenn du mit deinem Date nicht schnell über den oberflächlichen Small Talk hinauskommst (Woher kommst du? Welche Musik hörst du gern? Was ist dein Lieblingsessen?), dann langweilst du dich und bist schneller weg, als dein Gegenüber "Sehen wir uns wieder?" sagen kann. Dir ist wichtig, dass du mit deinem Date über alle Themenbereiche, die dich wirklich interessieren, reden kannst: Philosophie, Politik, Umwelt, aber natürlich auch über deine Gefühlswelt. Du brauchst schon am ersten Abend einen Deep Talk. Ein:e Partner:in, der oder die die eigenen Gefühle kennt, versteht und darüber reden kann? Auch das findest du schlau und somit auch sexy!
2. Dein Hirn turnt mich an
Sobald du das Gefühl hast, dass dein Gegenüber über mehr als Allgemeinwissen verfügt und ihr euch auch über tiefgründige Themen intensiv austauschen könnt, passiert etwas bei dir - und zwar auch weiter unten. Je größer der Intellekt, desto größer ist deine sexuelle Anziehung. Mit jemandem ins Bett gehen, nur weil er oder sie wahnsinnig gut aussieht, viel Geld hat oder superlustig ist? Nicht dein Ding, denn diese Dinge machen dich ganz bestimmt nicht scharf!
3. Auf die inneren Werte kommt es an
Bei einem Blick auf deine Dating-Historie ist optisch kein bestimmter Typ zu erkennen. Eher im Gegenteil: Menschen, die besonders viel Wert auf ihr Äußeres legen, beziehungsweise viel in ihr Aussehen investieren, findest du direkt uninteressant, weil du vermutest, dass sie nicht über genügend Verstand verfügen, um sich darüber zu profilieren.
4. Gute Umgangsformen
Es muss gar nicht spießig zugehen, aber wenn du mit jemandem schreibst, dann ist dir eine korrekte Rechtschreibung wichtig. Überhaupt magst du es sehr, wenn dein Gegenüber sich eloquent ausdrücken kann - und seine Witze nicht nur Schenkelklopfer (oder noch schlimmer: Proll-Witze) sind. Intelligenter Humor ist dein Ding und den findest du auch richtig sexy!
5. Die Mind-Sex-Connection
Sex ist dir nicht unwichtig, aber er kommt auch nicht an erster Stelle. Hauptsache, eure Gedanken schwingen miteinander und eure Gespräche sind tiefgründig. Diese Art von Verbindung tut viel mehr für dich als die körperliche. Der Rest ist wie ein extra Bonus.
Wie viele Menschen sind sapiosexuell?
Bei einer Elite-Partner-Umfrage aus dem Jahr 2022 kam heraus, dass 78 Prozent der Befragten großen Wert auf Intelligenz beim Partner oder bei der Partnerin legen. Daraus lässt sich zwar nicht direkt ableiten, wie viele Menschen sapiosexuell sind, aber es vermittelt einen Eindruck, welchen Stellenwert Intelligenz hat. Nämlich einen sehr hohen! In einer Studie haben Wissenschaftler:innen der Universität von West-Australien festgestellt, dass ungefähr acht Prozent der 18- bis 35-Jährigen sapiophil sind. Da aber niemand irgendwo offiziell angeben muss, dass er sich vor allem und an erster Stelle von Intelligenz angezogen fühlt, kann man auch nicht zuverlässig sagen, wie weit Sapiosexualität tatsächlich verbreitet ist.
Intelligenz liegt außerdem in gewissem Maße - wie Schönheit auch - im Auge des Betrachtenden: Die einen halten Menschen mit besonders großem Allgemeinwissen für intelligent. Für andere sind Schulnoten, Uni-Abschlüsse und IQ-Werte entscheidend. Und wiederum andere halten Menschen für besonders schlau, die immer den cleversten Weg einschlagen.
Sapiosexuell: Ist Intelligenz attraktiv?
Wissenschaftlich betrachtet ist Intelligenz ein wichtiger Faktor, nach dem Menschen ihre Partner:innen aussuchen. Das ergab auch eine Studie, die im "Journal of Personality and Individual Differences" veröffentlicht wurde: Demnach wählen Frauen und Männer lieber Partner:innen mit gleicher oder höherer Intelligenz. Eine niedrigere Intelligenz lässt das Attraktivitätslevel sinken.
Aus evolutionsbiologischer Sicht fühlen wir uns zu Menschen hingezogen, bei denen wir das Gefühl haben, dass sie uns (und unseren Kindern) eine gute Zukunft sichern können. Wer intelligent ist - so zumindest die Annahme - der hat grundsätzlich auch die Ressourcen, um Geld zu verdienen und wirtschaftlich sicher dazustehen.
Interessant: Eine Studie des Evolutionsbiologen Geoffrey Miller hat ergeben, dass die Höhe des Intelligenzquotienten im direkten Zusammenhang mit der Anzahl der Spermien steht. Wenn das wirklich stimmt, dann macht es für Frauen tatsächlich Sinn, sich einen besonders schlauen Partner zu suchen - zumindest, wenn sie gerade an Familienplanung denken.
Warum ist sapiosexuell keine Orientierung?
Wenn jemand homosexuell ist, dann kann er nicht auch heterosexuell sein. Wenn jemand homosexuell ist, kann er aber durchaus auch sapiosexuell sein. Homo-, Hetero-, Bi- oder Pansexualität sind sexuelle Orientierungen. Sapiosexualität ist eine Vorliebe, so wie eine Präferenz für blonde Frauen oder bärtige Männer.
Sapiosexualität: Welche Unterschiede gibt es bei Männern & Frauen?
Die Plattform OkCupid hat 2014 als erste Dating-App das Feature eingeführt, mit dem Nutzer:innen explizit auf ihre sapiosexuelle Vorliebe hinweisen können. Laut der New York Times tun dies mehr weibliche als männliche Nutzer:innen, was das Klischee bestätigen würde, dass Männer eher nach mitfühlenden Frauen suchen, die potenziell gute Mütter wären. Frauen würden demnach eher nach schlauen Männern Ausschau halten, die Geld nach Hause bringen können. Natürlich alles ganz unterbewusst! Ob das nun stimmt oder nicht: Dass für Frauen andere Dinge wichtiger sind als für Männer, ist ja wirklich nicht komplett abwegig. Ob wirklich mehr Frauen sapiosexuell sind, lässt sich nur mutmaßen und im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis beobachten. Äußern tut sich Sapiosexualität bei Männern und Frauen gleich: Sie achten beide bei ihren Partner:innen vor allem auf Intelligenz, nicht auf Aussehen, sozialen Status oder noch andere Dinge.
Sapiosexualität: Deshalb solltest du nicht nur auf Intelligenz achten!
Wissenschaftler:innen sind allgemein eher skeptisch, was den Begriff angeht, denn dass Intelligenz ein Attraktivitätsmerkmal ist, sei ja nichts Neues. Außerdem: Nicht alle, die besonders auf Intelligenz achten, sind sapiophil. Die allermeisten Menschen würden wohl von sich behaupten, dass sie es bevorzugen, wenn sie mit ihrem oder ihrer Auserwählten gute Gespräche führen können und sich nicht immerzu ein müdes Lächeln für den x-ten Dad-Joke abquälen müssen.
Sich selbst als sapiosexuell zu bezeichnen, findet so manch eine:r außerdem arrogant, elitär und diskriminierend. Man muss sich schließlich schon selbst für ganz schön schlau halten, wenn man die Intelligenz anderer beurteilen will. Außerdem ist die Höhe des Bildungsstandes leider auch eng an die Sozialisierung gekoppelt: Kinder von Akademiker:innen werden in der Regel selbst Akademiker:innen. Wer aus einer Familie kommt, in der auf schulische Bildung nicht so viel Wert gelegt wurde, etwa weil es wichtiger war, dass der Nachwuchs schnell selbstständig wird und für die Familienkasse mitarbeitet, der wird wahrscheinlich eine geringere klassische Schulbildung erfahren haben. Heißt aber noch lange nicht, dass diese Menschen dümmer sind, denn Intelligenz hat viele Facetten. So wie jeder Mensch auch. In welche wir uns verlieben, kann man am Ende vielleicht gar nicht so genau sagen.
So lange man sich mit Sapiosexualität beschäftigt, weil man sich von Äußerlichkeiten in einer oft oberflächlichen Dating-Welt distanzieren will - toll, weiter so! Nur bitte das Label sapiophil nicht zu ernst nehmen und bei der Suche nach der großen Liebe immer schön open minded bleiben!